Dienstag, 10. Oktober 2006

Grenzen der multi-kulturellen Gesellschaft?

So geht das: Vergangenen Samstag fahre ich in der Münchener U-Bahn. Lesend. Irgendwann frage ich mich, was heute hier eigenartiger ist als sonst. Ich schaue mich um. Der Wagen ist voll, nicht überfüllt. Leute unterhalten sich, diskutieren, relativ laut. Eine Gruppe ist zu hören, weil sonst alle schweigen. Vier Leute reden laut -- auf russisch. Daneben sind, ich schaue weiter, zwei Münchener Frauen mit Einkaufskörben. Der Rest der Anwesenden, daran und daran unzweifelhaft erkennbar -- es sind alles Menschen "mit Migrationshintergrund", wie das heute so heißt. Ich, der ich mich für nicht im mindesten für "xenophob" halte, habe ein seltsam flaues, schlecht zu benennendes Gefühl.

Ich hätte diese Situation und das Gefühl wahrscheinlich vergessen. Aber dann heute in der SZ ein Artikel von Petra Steinbrecher. Ein Bericht, der so beginnt:

Der Mensch ist eine Schildkröte. Er wünscht sich einen Panzer, unter den er sich zurückziehen kann, wenn es eth­nisch allzu bunt wird in der Nachbar­schaft. Denn der Mensch mag es nicht, wenn er Sprachen nicht versteht, fremde Riten erlebt, anderen Religionen ausge­setzt wird oder seltsame Sitten prakti­ziert sieht. Eine gewisse Menge an Fremd­heit kann er gerade noch ertragen. Zuviel davon und er verliert das Vertrauen – in seinen Nachbarn genauso wie in den Bür­germeister, den Gemüsehändler, in den Staat und in die Zeitung, die er liest.

Dies ist das Fazit einer alarmierenden Studie, die der in Harvard lehrende Poli­tikwissenschaftler Robert Putnam jetzt vorgelegt hat. „Wir verhalten uns wie Schildkröten", erläutert er, „angesichts von menschlicher Unterschiedlichkeit verstecken wir uns."

Da also entsteht die Frage, ob wir uns nicht, wenn wir nicht zukünftige harte soziale und am Ende rassistische Auseinandersetzungen durch Wegsehen, Weghören, Wegfühlen heraufbeschwören wollen, mit Putnam und unseren eigenen Gefühlen auseinandersetzen sollten. Wieviel Fremdheit vertragen wir, die Liberalen unter den Bürgern? Selbst wir. Und wie ist es erst dann mit denen, die keine Arbeit und wenig Selbstgewißheit haben?

Wer es genauer wissen möchte, kann mal hier beginnen ...

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