Donnerstag, 30. Dezember 2010

Freud und das autobiographische Gedächtnis

Auf der Suche nach einer Idee, die ich vor mehr als 10 ahren im Internet gelesen habe. Mit Anleitung für die Daten-Sammlung, die für eine Rekonstruktion der eigenen Person in der fortgeschrittenen Zukunft dienen soll. Am Ende läuft alles auf die alte, schwierige Frage hinaus: Was ist das, was wir als Person oder dann eben als Ich bezeichnen?

Sofern es im Zuge biografischen Arbeitens zu Widersprüchen kommt oder ein feststellbares Faktum dem subjektiv Erlebten sogar deutlich entgegensteht, stellt sich die Frage nach der Wahrheit des Erinnerten und damit nach der Funktionsweise unseres Gedächtnisses. Lange Zeit wurde angenommen, das menschliche Gehirn sei zu Beginn eine Art unbelichteter Film (Tabula rasa), auf dem nach und nach die Eindrücke des Lebens originalgetreu abgebildet würden. Die Tatsache des Vergessens versuchte man mit Ermüdungserscheinungen oder Funktionsstörungen des Gedächtnisses zu erklären. Diese auch heute noch verbreitete Vorstellung geriet spätestens mit der Erfahrung an seine Grenzen, dass wir offensichtlich in der Lage sind, „falsche“ Erinnerungen zu produzieren. Größenverschiebungen (was früher groß erschien, erweist sich als klein) und Verschiebungen von Ort und Zeit sind häufig vorkommende Ergebnisse von Erinnerungen, welche die Vorstellung eines „objektiven“ Gedächtnisses erschüttern. Bereits Sigmund Freud hat daher grundsätzliche Zweifel an der Wahrhaftigkeit von Kindheitserinnerungen geäußert: „Vielleicht ist es überhaupt zweifelhaft, ob wir bewusste Erinnerungen aus der Kindheit haben, oder nicht vielmehr bloß an die Kindheit. Unsere Kindheitserinnerungen zeigen uns die ersten Lebensjahre, nicht wie sie waren, sondern wie sie späteren Erweckungszeiten erschienen sind. Zu diesen Zeiten der Erweckung sind die Kindheitserinnerungen nicht, wie man zu sagen gewohnt ist, aufgetaucht, sondern sie sind damals gebildet worden, und eine Reihe von Motiven, denen die Absicht historischer Treue fern liegt, hat diese Bildung sowie die Auswahl der Erinnerungen mit beeinflusst“.

Die moderne Neurobiologie hat die von Freud erhobenen Zweifel mit naturwissenschaftlichen Methoden bestätigt und vertritt heute ein ganz anderes Modell von der Funktionsweise des Gehirns.

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