Donnerstag, 18. Oktober 2012

Baumgartner und Le Gentil

Das Gegenteil -- der Gegenmensch zu Felix (dem Glücklichen) Baumgartner sozusagen: Guillaume-Joseph-Hyacinthe-Jean-Babtiste Le Gentil (der Höfliche / Nette) (1725-1792), französischer Astronom, ein exemplarischer Pechvogel, von dem hier berichtet wird:

"... Da von Indien aus der Venustransit am besten zu beobachten war, brach Le Gentil schon zwei Jahre zuvor zu der französischen Besitzung Pondicherry auf. Seit sieben Jahren tobte allerdings dort ein Krieg zwischen Frankreich und England, weil auch die Engländer Gefallen an der schönen Stadt gefunden hatten. Nach verlorener Schlacht fiel die Stadt in englische Hände. Augenblicklich musste Le Gentile Indien verlassen und war gezwungen, den Venustransit auf schwankendem Schiff auf hoher See zu beobachten. Genaue wissenschaftliche Messungen waren da natürlich völlig ausgeschlossen. Doch der wackere Franzose gab so leicht nicht auf. Da der nächste Transit schon in acht Jahren stattfinden würde, entschloss sich Monsieur le Baron darauf zu warten. Der Tag des Venustransit begann strahlend schön. Doch dann zogen Wolken auf und bedeckten den ganzen Himmel. Le Gentil konnte den Durchgang nur teilweise beobachten. Schlechtes Wetter hatte ihm den Transit in letzter Minute verpatzt.
Niedergeschlagen entschied sich der unglückliche Astronom nun doch die Heimreise anzutreten, schließlich war er doch schon seit über zehn Jahren unterwegs. Während er auf ein Schiff wartete, erkrankte er an Ruhr und wäre fast daran gestorben. Von der Krankheit stark geschwächt, fand er ein Schiff zur Heimpassage. Die Jahre des Leidens schienen jetzt aber endlich vorbei zu sein. Doch unterwegs wurde sein Schiff durch einen Hurrikan so stark beschädigt, dass es wieder zur Reparatur zum Ausgangshafen zurückkehren musste. Der Astronom, der ausgezogen war, um zwei Venustransite zu beobachten, jedoch keinen richtig sehen konnte, kehrte mit viel Verspätung nach Hause zurück. Sie mögen glauben, dass hier die Geschichte zu Ende sei. Doch weit gefehlt. Jeder daheim hatte längst geglaubt, dass Guillaume-Joseph inzwischen ein kühles Grab in fremder Erde gefunden hatte. Inzwischen war all sein Besitz redlich unter den Erben aufgeteilt. Auch die Französische Akademie der Wissenschaften hatte inzwischen den Posten des Pechvogels neu besetzt.

2010 © Alexander von Behaim-Schwartzbach"