Sonntag, 23. Juni 2013

Amazon-Diskussion, Billiglöhne 2

Oder: Darf man fragen ...

Ich habe heute tatsächlich ziemlich ausführlich auf zwei Antworten im Amazon-Forum geantwortet. Weil da einige Punkte dabei sind, die ich vom Versinken im Internet bewahren möchte, kopiere ich sie mal hierher.

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Meine erste Reaktion auf diese Einlassungen: "Hoppla!" Warum diese beiden Antworten, die doch sehr persönlich sind und auf meine eigentliche Frage nicht eingehen?!

Aber dann, nach diesen Aufforderungen, jetzt mal Butter bei die Fische! Dass Amazon Dumping-Löhne bezahlt, habe ich nirgendwo behauptet. Was da gezahlt wird, an Normal-, Zeit- und Saisonkräfte, können wir ja aus den Zeitungen mal größenordnungsmäßig entnehmen. 

Meine eigentliche Frage war, jetzt in der Kurzfassung: Wie steht es um die Konkurrenz zwischen (a) Verbraucherbereitschaft, mehr zu zahlen, und (b) Hersteller- und Vertriebskräfte-Entlohnung?

Tja, und jetzt noch zu dem "Darf man fragen, wie viele Jahre ..." Nein, man darf eigentlich nicht. Es zählt die Macht der Argumente, nicht die Person des Argumentierenden. (Das andere, das eigentlich Verbotene nennt sich in der Argumentationstheorie "argumentum ad hominem". Das nur nebenbei.) Aber ich will doch antworten: Ich habe, eben mal überschlagen, ca. 35 Jahre gearbeitet. Die Ochsentour an drei verschiedenen Universitäten. Promoviert und habilitiert. Knapp 100 wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Veröffentlichungen. Ob das, was ich getan habe, "produktiv" war, ist bei Arbeit an der Uni naturgemäß schwer zu sagen. Auch hier müssten wir "produktiv" definieren. (Das alles hätte ich nicht angeführt, wenn ich nicht so eindringlich danach gefragt worden wäre.)

Um dann noch die Seltsamkeit von Unterstellungen in Diskussionen wie der vorliegenden zu demonstrieren: Ich unterstelle Ihnen, Klaus, jetzt mal, dass Sie seit ca. 15 Jahre im unteren Teil des mittleren Management eines Autozulieferers tätig sind. Wie ich darauf komme? Weil in diesem Bereich der Stolz auf die eigene Tüchtigkeit besonders groß ist. Und weil oberhalb dieses sozialen Bereichs die Leute in der Regel gelernt haben, dass man auch in anonymen Diskussionen nicht in dieser Weise persönlich wird.

Schließlich noch zu der Frage nach der Definition von "Dumpinglohn". Ich habe da eine persönliche Formel, die keine offizielle ist. Natürlich nicht. Ich sehe alles grundsätzlich als Dumpinglohn an, was bei 40 Stunden Wochenarbeitszeit, nicht nach Steuern das Doppelte des Hartz-IV-Satzes ausmacht, also für einen Alleinstehenden ca. 800 Euro / Monat. Wohlgemerkt: Da sind wir bei der einfachsten Arbeit ohne abgeschlossene Ausbildung.

Fast hätte ich es vergessen, von wegen der engagiert-persönlichen Nachfrage: Ich bin FDP-Mitglied, wenn auch vielleicht kein ganz typisches.

Also, soviel. Und beste Grüße! D.

P. S. In einer Diskussion immer gleich nach Definitionen zu fragen, gilt vielen meiner Bekannten und Freunde und mir auch als unfein, weil weltfremd. Wir kommen einfach zu keinem Gespräch, wenn wir diese wohlfeile, immer irgendwie passende Forderung nicht weglassen und darauf vertrauen, dass wir schon so ungefähr wissen, was wir meinen.