Donnerstag, 3. Oktober 2013

Flüchtlinge ertrinken vor Lampedusa

[ Als Vorbereitung eines Briefs an Heribert Prantl von der SZ. ]

Die EU schützt sich vor Flüchtlingen wie vor Terroristen und behandelt sie so. Wer Lampedusa erreicht, wird nicht aufgenommen nach dem Prinzip "Leistung muss sich lohnen", sondern rücktransportiert nach dem Motto "Wir können uns euch nicht leisten". Flüchtlinge gelten als Feinde des Wohlstands. Man fürchtet sie wegen ihrer Zahl. Europa ist zwar nach seiner Selbstbeschreibung ein "Raum der Freiheit der Sicherheit und des Rechts" - aber nur für die, die schon in Europa leben. (Prantl, SZ vom 8. April 2011. Den neuesten Kommentar zu Lampedusa habe ich nun nicht herausgesucht.)
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Ich schlage an unserem Nationalfeiertag Google News auf und es springt mir ins Auge:

Drama im Mittelmeer: Dutzende Flüchtlinge ertrinken vor Lampedusa | Vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ist ein Schiff mit Flüchtlingen gesunken. Fast hundert der rund 500 Personen an Bord starben, teilten Lampedusas Bürgermeisterin Giusi Nicolini und die Küstenwache mit. Die Behörden fürchten, die Opferzahl könnte weiter steigen. (SPIEGEL Online)

Ein Flüchtlingsdrama, eines von vielen. Ein Drama, das Anlass zum Wieder-einmal-Nachdenken ist. Am sinnlosesten sind die Extremstandpunkte des "Das Boot ist voll!" und "Europa / Deutschland ist so herz- und verantwortungslos! Wir müssen die Flüchtlinge alle aufnehmen!".

Und auch das noch: Der Unterschied zwischen Wirtschaftsflüchtlingen (haben keinen Anspruch auf Asyl) und "echten" politischen Flüchtlingen ist so sinnlos, dass man ihn vergessen sollte. Wer für sich und seine Familie keinerlei Hoffnung auf ein vernünftiges Leben sieht, wird zu fliehen versuchen. Man muss dafür Verständnis haben.

Klar ist auch: Europa kann nicht alle Menschen aufnehmen, die in ihren Ländern verfolgt sind oder keine wirtschaftliche Zukunft in ihrem Heimatland sehen. Wer schlichten Gemüts ist und schlicht gutmenschlich Forderungen an "die da oben" stellt, der soll zuerst einmal ehrlich antworten, ob er bereit ist, für eine gewisse Zeit zwei Flüchtlinge bei sich in seinem Haus oder seiner Wohnung aufzunehmen oder ein Flüchtslingsheim in seiner Umgebung mit zu betreuen. Er muss auch sagen, wie er / sie eine Auswahl trifft unter denen, die in Lampedusa ankommen. Denn ohne Auswählen geht es offensichtlich nicht. Es ist so wenig hilfreich, wenn man da nur Forderungen stellt, sich gut fühlt und die Auswahl- und Verwaltungsämter beschimpft. (Nein, das ist nicht in Richtung Heribert Prantl geschrieben. Der beschimpft und schimpft ja nicht. Aber es gibt sie natürlich, die, die beschimpfen.)

Was ich realistisch meine? Manche Länder müssen unter die Vormundschaft der UN gestellt werden. Es müssen unter UN-Aufsicht Mustergebiete in den Ländern entwickelt werden, die anschließend ihrerseits in das Land hineinwirken und eine Entwicklungshilfe von innen aufbauen. In diesen Mustergebieten muss, neben dem Aufbau einer einfachen, auf die technischen Möglichkeiten des Landes Rücksicht nehmenden Wirtschaft, auch ein demokratisch-friedliches Miteinander eingeübt werden. 

Im SPIEGEL hat vor vielen Jahren ein Afrikaner gesagt, die europäischen Kolonialmächte sollten zurückkommen und in den Ländern für Ordnung sorgen. Das geht heute natürlich nicht. Aber man sieht, dass einfach die Fackel der Freiheit anzuzünden, in vielen Fällen für kurze Euphorie und anschließend für Elend sorgt. Robert Mugabe war ohne Zweifel einmal ein Freiheitskämpfer. Aber das ehemalige Rhodesien war auch einmal die Kornkammer Afrikas.
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Eindruck insgesamt: Wie auch sonst in der Politik und den Kommentaren zur Politik treiben Wolken aus Meinungen und Schlagwörtern über den Himmel. Weit und breit niemand, der die klaren Antagonismen beim Namen nennt und einen konkreten Vorschlag macht. Die Frage ist ja so schlicht wie klar: Wie sollte Europa, wie sollte Deutschland vorgehen? Nicht wolkig formuliert, sondern konkret bitte! Sehr konkret. Wie könnte eine ideale Gesetzgebung und wie könnte die ideale Umsetzung der Gesetzgebung aussehen?