Samstag, 5. April 2014

Anja Niedringhaus und ihr Mörder

Wer ist der Mann, der die Fotografin Anja Niedringhaus erschossen hat? Und wie nennen Journalisten ihn?


"Während eines kurzen Aufenthalts an einem Kontrollpunkt näherte sich laut der AP ein Polizist dem Fahrzeug und eröffnete das Feuer mit seinem Sturmgewehr." (Tagesschau)

"Die deutsche Kriegsfotografin Anja Niedringhaus ist in Ostafghanistan von einem Polizisten erschossen worden." (Spiegel)

"Die deutsche AP-Fotografin und Pulitzer-Preis-Gewinnerin Anja Niedringhaus ist in Afghanistan bei einem Anschlag ums Leben gekommen." (Süddeutsche)

"Einen Tag vor der Präsidentenwahl in Afghanistan ist die deutsche Kriegsfotografin Anja Niedringhaus im Osten des Landes, in der Nähe von Khost, von einem Terroristen in Polizeiuniform erschossen worden." (Neue Züricher)



  • Tagesschau und Spiegel bringen die sachliche, doch natürlich verstörende Mitteilung: Es war ein Polizist. 
  • Die Süddeutsche benutzt die Möglichkeit der verbalen Wendung und des Quasi-Natürlichen -- der Anschlag kommt gleich nach dem Erdbeben. Der Täter muss nicht genannt werden. (Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Süddeutsche sich gerne um die Täter herumdrückt. Vielleicht ihre Form der vagen politischen Korrektheit? Es sind die -- immer irgendwie politischen oder gesellschaftlichen -- 'Umstände', die zählen, nicht die Täter. -- Ich habe mit der Suchfunktion nachgesehen: poliz* und täter und erschieß*, erschoss* kommen auf der Seite nicht vor.)
  • Interessant, dass die NZ aus dem Mann einen Terroristen in Polizeiuniform macht. Das legt natürlich die Annahme nahe, das sei kein Polizist gewesen. Ein in solchen Zusammenhängen vielleicht auch naheliegende Tautologie: Wer so etwas macht, ist erst einmal ein Terrorist, dann kommt der Beruf. So wie man manchmal sagen möchte: Wenn jemand auf diese Weise und unter diesen Voraussetzungen tötet, dann kann der doch nur verrückt und also unzurechnungsfähig sein.*
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* Die Nachrichten über Domenico L., ermordet in München, an der Isar, gibt es nicht mehr. Laufen eigentlich die Ermittlungen noch? "Der Mord, der bis heute viele Münchner fassungslos macht, geschah am Abend des 28. Mai [2013] gegenüber dem Europäischen Patentamts an der Erhardtstraße. Domenico Lorusso, Ingenieur bei Airbus, hatte mit seiner Verlobten in einem Café am Gärtnerplatz einen Absacker getrunken. Tags darauf wollten sie in ihre süditalienische Heimat Potenza reisen und ihren Familien die freudige Nachricht überbringen, dass sie heiraten werden. Gegen 22 Uhr radelten sie an der Isar entlang in Richtung ihrer Wohnung am Wiener Platz in Haidhausen. Als ein dunkel gekleideter Passant seine Verlobte grundlos anspuckte, stellte ihn Lorusso zur Rede. Kurz darauf sackte er blutend zusammen, der Unbekannte hatte mehrmals mit einem Messer auf ihn eingestochen, dann flüchtete er." (tz)