Samstag, 21. Februar 2015

"Darf man Handydiebe per Twitter suchen?"

Jetzt sehen wir die folgende Sache mal ruhig und argumentationstechnisch an:

"Anti-Diebstahl-App: Darf man Handydiebe per Twitter suchen? | Von Judith Horchert | Twitter-"Fahndungsfoto" (Screenshot, von der Redaktion gepixelt): | ... | "Auch böse Menschen sind nicht rechtlos" | Einem Mann wird das Smartphone geklaut. Eine App auf dem Handy schickt ihm ein Foto von dem, der es gerade in der Hand hat. Der Bestohlene twittert das Bild, um den Täter zu finden, es wird tausendfach geteilt. Ist das erlaubt?" (SPIEGEL Online, ausführlich)

Die Sache besteht im Kern mindestens aus acht Teilen:

  1. Das nicht Richtige (geht von 'Kleine Unhöflichkeit' bis 'schwerste Straftat'. Zentrale Frage: Was ist überhaupt keine Straftat? Was (noch) eine 'Bagatellstraftat'? Und von welchem Punkt an liegt eine mittelschwere oder schwer Straftat vor?)
  2. Der Täter (Achung! die Eigenschaften: Alter, soziale Schicht, Migrationshintergrund ja / ... / nein, usw.)
  3. Der Geschädigte (kann subjektiv sein, das mit dem Schaden; vgl. Überempfindliche usw. -- Ansonsten Differenzierung wie unter 2.)
  4. Die Wiedergutmachung / Verfolgung
  5. Die erlaubten / vielleicht erlaubten / nicht erlaubten Maßnahmen im Rahmen von 4
  6. Die geltenden Gesetze im Bereich 4. und 5.
  7. Der Interpreationsrahmen zum gesetzlich Gültigen
  8. "Volkes Stimme" (= das mehr oder weniger 'gesunde Volksempfinden'), die natürlich statistisch dargestellt werden muss, denn einig ist sich 'das Volk' ja nie.
In der Regel (meine Annahme aus der Erfahrung) ist die Stimme des Volkes auf der Seite des Opfers, verbunden mit dem latenten Vorwurf, dass das Gesetz oft viel zu sehr die Täter schützt.

Dagegen steht die -- von der Volkesstimme-Mehrheit gerne als 'Gutmenschen' titulierte -- Minderheit, die Dinge formuliert wie: "Auch böse Menschen sind nicht rechtlos". So, und jetzt geht die Arbeit erst los. 
  • Fälle zusammentragen
  • Untersuchungssetting formulieren
  • Datenerhebung = Befragungen
  • Interpretation der Daten
  • Schlussfolgerungen
  • Wissenschaftliche Diskussion
  • Öffentliche Diskussion
  • Empfehlungen an den Gesetzgeber 
Und da ist da noch die Sache mit den zum Teil sehr bekannten Parallelfällen. (Den Wikipedia-Artikel Internet vigilantism gibt es momentan nur auf Englisch und Portugiesisch. Dort eine Sammlung bekannter internationaler Fälle.) 

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* Eine Bagatellstraftat wie ein Handydiebstahl rechtfertigt das nicht. Eine Foto-Fahndung ist nur bei schwerwiegenden Straftaten gerechtfertigt', so der Anwalt."

Nun, sollen wir mal die Leute fragen, denen in den letzten Monaten das Handy geklaut wurde, ob sie das 'bagatell' fanden und ob sie dem Herrn Anwalt zustimmen?

So, mit so einer Frage, darf man nicht an die Sache rangehen? Doch, man darf!