Montag, 5. Dezember 2016

Trügerische Unsicherheit?

Nein, es ist nicht vernünftig, nach der Ermordnung der Freiburger Medizinstudentin wahrscheinlichst durch einen jungen Afghanen jetzt den Emotionen die Zügel schießen zu lassen. Vernunft ist geboten. Was allerdings auch nicht vernünftig ist, das ist: Wie meine drei Stammzeitungen, SPIEGEL, ZEIT und SÜDDEUTSCHE irgendwie in einer gemeinsamen seltsamen Faststille verharren. Bericht ja, aber nicht zu ausführlich. Einen Artikel zur Diskussion freigeben -- Fehlanzeige. Die Angst vor dem Volk als Mob mal wieder. Die Zeitungen kennen inzwischen "ihre Foristen".

Und dann auch noch das:

"Das Gefühl der Unsicherheit trügt | Durch Anschläge, Amoklauf und Mord wächst die Unsicherheit in Deutschland. Die Zahlen weisen in eine andere Richtung: Die Gewaltkriminalität sinkt seit Jahren, ebenso wie die Jugendkriminalität -- und die von Ausländern." (dw.com)

Normalerweise gibt es eine trügerische Sicherheit, keine trügerische Unsicherheit. Mit solcher Wortdreherei fängt es schon mal an. Und dann sollten endlich einmal drei Dinge greifen und bei den Journalisten greifen:

  • Die Einsicht, dass die Statistik, selbst wenn sie stimmt, angesichts einer konkreten Tat oder eines konkreten Ereignisses immer wie eine höhnende Stimme daherkommt. Will wirklich jemand den Eltern, Verwandten und Freunden der Studentin mit dieser Statistik kommen! Und wenn sie an die Allgemeinheit geht, diese Meldung -- die Allgemeinheit denkt an die und fühlte mit den Betroffenen. Das ist durchaus gut und menschlich.
  • Nie wird jemand verhindern können, dass es "normale Morde" gibt und solche mit Zeichencharakter, in ganz unterschiedliche Richtungen. Es ist immer Kokolores, einen Mord aus Eifersucht oder einen Raubmord mit dieser Tat in Freiburg gleichzusetzen. Es ist ein sehr natürliches Gefühl, das mit dem Ausdruck einhergeht: Da kommen Menschen ins Land, die vor Gewalt fliehen und hier Aufnahme und Schutz suchen. Und dann bringen sie ihre spezifische Kultur der Gewalt und der Frauenverachtung mit. 
  • Nicht alle Flüchtlinge sind gewalttägig? Natürlich nicht alle und sehr wahrscheinlich auch nur ganz wenige. Aber ein Axt-Täter, ein Bombenbauer, der sich selbst in die Luft sprengt, und jetzt dieser junge Mann aus Afghanistan, solche Fälle haben nun mal einen hohen Symbolwert, und es ist eine jämmerliche Nicht-Berichterstattung, die so etwas nicht kühl analysiert. Auf der anderen Seite: Das Gefühl verstärkt sich einfach, dass der Wahn, der in vielen Teilen der Welt den Krieg und den Bürgerkrieg anheizt, mit den Flüchtlingen auch zu uns kommt. Und was gewaltätigen Wahn angeht, da kennen sich die Deutschen nach der Nazi-Zeit gut aus. Auch heute noch.