Dienstag, 26. Dezember 2017

Machtverhältnisse in der Kultur

Einst waren die Machtverhältnisse in der Kultur und in allen angrenzenden Bereichen wie selbstverständlich verteilt: Man sprach nicht groß von Eigentumsverhältnissen, es war einfach so, dass es Zeitungsbesitzer gab, Verlagsbesitzer, die Inhaber von Fernsehsendern später auch. Die Eigentümer waren, wenn es sich um kleine Betriebe handelte, oftmals Universalmenschen. Verleger machten im Zweifelsfall vom Lektorat bis zum Vertrieb alles und haben nur die Herstellung von Büchern ausgelagert. War ein Betrieb größer so suchte sich der Eigentümer einen Chefredakteur oder Verlagsleiter, im Normalfall in seiner politischen Richtung. Diese CEOs haben das Ganze dann einmal mehr einmal weniger gut gemanagt. Die Lektoren der Verlage, überhaupt der Verlagsbetrieb bestimmten, wer Schriftsteller sein durfte und wer nicht. Die Redakteure – erst einmal musste man ja Redakteur werden – luden freie Mitarbeiter und Kommentatoren ein.

Dann kam das Internet. Die Machtverhältnisse wurden nicht auf den Kopf gestellt, aber doch erheblich modifiziert. Wer wollte, konnte seinen eigenen Podcast machen seinen eigenen YouTube-Kanal, seine eigenen Bücher. Natürlich war dann immer noch die Frage, wie man seine eigenen Produkte bekannt machen sollte; aber auf der anderen Seite war grundsätzlich die Möglichkeit gegeben, sich von den bestehenden publizistischen Machtverhältnissen abzukoppeln.

Das Ganze der technischen Veränderungen via Internet hat auch dazu geführt, dass die Leser, die Konsumenten überhaupt, eine ungleich viel größere Macht haben als früher. Heute reden bzw. schreiben Kommentatoren an allen Ecken und Enden des Zeitungsbetriebs mit, ob sie nun die Rechtschreibung, die Zeichensetzung, die Grammatik einigermaßen beherrschen oder nicht. Manchmal scheint fehlerfreies Schreiben sogar gegen den Verfasser zu sprechen. Er ist dann von vorherein Mitglied einer abgehoben-bösen Bildungselite, die sich Sonderrollen anmaßt.* Manchmal sind die Kommentare von Gehässigkeit und Häme, mitunter auch von Hass durchzogen; aber so etwas lässt sich wohl, wenn die Masse der Ungeschulten und in Teilen auch Unbeschulten über die Kultur hereinbricht, nicht verhindern.

Was jetzt noch fehlt, das ist: eine Gleichverteilung in Sachen Werbung und Marketing. Amazon hat mit seinen Möglichkeiten der Beurteilung da einiges schon getan; aber das ist natürlich bei weitem nicht genug. Es wird spannend sein zu beobachten, wie hier die Entwicklung weitergeht.

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* "In etwa so groß wie der Anteil der Universitätprofessoren die meinen, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, aber neben der Expertise auf ihrem Gebiet einfach nur normale Menschen sind, oder der Anteil, der zwar viel Ahnung vom Thema hat, aber leider verpeilt, was die Wikipedia ist und was dort hinein gehört und was nicht. Betrifft aber nicht nur Universitätsprofessoren. -- Wassertraeger 06:54, 20. Dez. 2017"